Lord Lynx

Aus Encyclopaedia Albernica
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Lord Lynx ist ein Märchen aus der Reihe Albernian Fairy Tales.

Lord Lynx

Vor langen Zeiten lebte, mag es irgendwo in Winland gewesen sein, eine Lady namens Mary. Lady Mary war jung, und sie war schön. Sie hatte zwei Brüder, und Verehrer hatte sie mehr, als man zählen konnte. Aber der ritterlichste unter ihnen allen war ein Lord Lynx. Niemand wusste, wer Lord Lynx war und woher er kam, doch er war tapfer und sehr reich, und von all ihren Verehrern mochte Lady Mary nur ihn allein. Schließlich kamen sie überein, dass sie heiraten wollten. Lady Mary fragte Lord Lynx, wo sie leben würden, und er beschrieb ihr sein Schloss und wo es sich befände. Doch so seltsam es auch klingen mag, er forderte weder sie noch ihre Brüder auf, zu kommen und ihn dort zu besuchen. Eines Tages nun, kurz vor dem Hochzeitstag, als ihre Brüder ausgegangen waren und Lord Lynx für ein oder zwei Tage in Geschäften unterwegs war, wie er sagte, machte sich Lady Mary auf den Weg nach dessen Schloss. Und nach langem Suchen kam sie auch endlich hin und fand ein schönes Schloss mit hohen Mauern und tiefem Burggraben. Da das Eingangstor offen war, ging sie hindurch, doch traf sie keine Menschenseele an. So ging sie den Torweg weiter, bis sie in die Halle kam. Und hoffend, jemanden anzutreffen, ging sie weiter die breite Treppe hinauf, bis sie an eine Tür kam, über der geschrieben stand:

"Hab Mut, hab Mut, doch zuviel ist nicht gut, sonst wird dir im Herzen gefrieren das Blut."

Aber Lady Mary war wirklich eine mutige Frau. Sie öffnete die Tür, und was sah sie da? Nichts anderes als die Leichen und Gerippe junger Ladies, und alles war über und über mit Blut befleckt. Sie fand, es sei höchste Zeit, sich von diesem Schreckensort davon zu machen, schloss die Tür und wollte gerade durch die Halle hinaus, da sah sie durch ein Fenster keinen anderen als Lord Lynx, der eine junge Lady den Torweg entlagschleppte. Sie konnte sich gerade noch hinter einem Fass verbergen, als der Lord auch schon hereinkam. Er war in der Nähe von Lady Mary angelangt, da sah er einen Diamantring am Finger der Frau, die er schleppte, und versuchte nun, ihn abzuziehen. Der Ring aber saß zu fest, und es gelang Lord Lynx nicht, ihn abzustreifen. Da zog er sein Schwert, erhob es, und schlug der armen Lady damit die Hand ab. Sie wurde hoch durch die Luft geschleudert und fiel ausgerechnet in Lady Marys Schoß. Lord Lynx suchte danach, doch es fiel ihm nicht ein, auch hinter das Fass zu schauen, und schließlich ging er weiter und schleppte die Lady nach oben in die Schreckenskammer. Sobald er verschwunden war, schlüpfte Lady Mary zum Tor hinaus und rannte nach Hause, so schnell sie nur konnte.

Nun begab es sich aber, dass schon am nächsten Tag der Ehevertrag zwischen Lady Mary und Lord Lynx unterzeichnet werden sollte, und zuvor sollte es ein prächtiges Festmahl geben. Als nun der Lord Lady Mary gegenübersaß, sagte er: "Wie blass Ihr heute seid, meine Teure." - "Ich habe in der letzten Nacht schlecht geschlafen und hatte entsetzliche Träume" erwiderte sie. "Erzählt uns Euren Traum", sprach Lord Lynx, "das wird uns die Zeit vertreiben, bis die Stunde unseres Glücks da ist." "Ich träumte", sagte Lady Mary, "dass ich gestern zu Eurem Schloss ging. Ich fand es in den Wäldern, und es hatte hohe Mauern und einen tiefen Graben." - "Aber das ist nicht so, noch war es jemals so", sagte Lord Lynx. "Und ich ging hinein und kam zu einer Tür, über der stand geschrieben:

'Hab Mut, hab Mut, doch zuviel ist nicht gut, sonst wird dir im Herzen gefrieren das Blut.' "

"Aber das ist nicht so, noch war es jemals so", sagte Lord Lynx. "Ich öffnete die Tür, und fand den Raum, im Traume, voller Leichen und Gerippe." - "Aber das ist nicht so, noch war es jemals so, und Gott behüte, es wäre so", sagte Lord Lynx. "Und ich träumte weiter, dass ich Euch zur Halle hereinkommen und eine junge Lady den Weg entlangschleppen sah. Und als Ihr an mir vorbeigingt, versuchtet Ihr, der Lady einen Diamantring abzuziehen." - "Aber das ist nicht so, noch war es jemals so, und Gott behüte, es wäre so", sagte Lord Lynx. "Und in meinem Traum, da schien es mir, als wollte es Euch nicht gelingen, und da hacktet Ihr der Lady die Hand mitsamt dem Finger ab, um den Ring zu bekommen."

"Aber das ist nicht so, noch war es jemals so, und Gott behüte, es wäre so", sagte Lord Lynx. Er wollte gerade noch etwas anderes sagen und erhob sich dabei, da rief Lady Mary: "Doch, es ist so, und es war so. Hier ist die Hand mit dem Ring, die ich Euch zum Beweis zeigen kann." Und sie nahm die Hand aus ihrem Gewand und richtete sie auf Lord Lynx. Da zogen ihre Brüder und ihre Verehrer sogleich die Schwerter und schlugen Lord Lynx in tausend Stücke.